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Barrierefreie Websites bis 2025: Der komplette Leitfaden zur BFSG-Umsetzung

Ein praxisorientierter Leitfaden zur digitalen Barrierefreiheit: rechtliche Anforderungen, technische Umsetzung, Content-Erstellung und Testing. So machen Sie Ihre Website WCAG-konform und erfüllen die BFSG-Anforderungen bis 2025.
Frau mit Brille schaut überrascht, BFSG 2025

Inhalt

  1. Einführung und Grundlagen
    1. Wer profitiert von barrierefreien Websites?
    2. Temporäre und situative Einschränkungen
  2. Rechtliche Grundlagen für Barrierefreie Websites
    1. Deutsche Gesetzgebung
    2. Wichtige Standards und Normen
  3. Die vier WCAG-Prinzipien
    1. 1. Wahrnehmbarkeit (Perceivable)
    2. 2. Bedienbarkeit (Operable)
    3. 3. Verständlichkeit (Understandable)
    4. 4. Robustheit (Robust)
  4. Technische Implementierung von Barrierefreiheit
    1. Semantisches HTML als Fundament
    2. ARIA-Attribute richtig einsetzen
    3. Formulare barrierefrei gestalten
    4. Medieninhalte zugänglich machen
  5. Content-Erstellung für barrierefreie Websites
    1. Texte barrierefrei gestalten
    2. Bilder und Grafiken
  6. Design und User Experience
    1. Farben und Kontraste
    2. Navigation und Interaktionselemente
  7. Testing und Evaluation von Barrierefreiheit
    1. Automatisierte Tests + manuelle Prüfung
    2. Professionelle Audits
  8. Best Practices und häufige Fehler bei barrierefreien Internetseiten
    1. Typische Fehlerquellen
    2. Erfolgsbeispiele
  9. Tools und Ressourcen
    1. Empfohlene Test-Tools
    2. Die Problematik von Overlay-Lösungen
  10. Fazit und nächste Schritte
    1. Wirtschaftliche Vorteile
    2. Schritte zur Umsetzung
  11. Benötigen Sie Unterstützung bei der Umsetzung?

Einführung und Grundlagen

Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur ein rechtliches Erfordernis, sondern der Schlüssel zu einer inklusiven digitalen Welt. In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen Menschen mit schweren Behinderungen, die von barrierefreien digitalen Angeboten profitieren.

Wer profitiert von barrierefreien Websites?

Barrierefreie Websites kommen verschiedenen Nutzergruppen zugute:

  • Menschen mit Sehbehinderungen: Etwa 4 Millionen Menschen in Deutschland sind von Farbenfehlsichtigkeit betroffen
  • Menschen mit Hörbeeinträchtigungen: Benötigen Alternativen zu Audioinhalten
  • Personen mit motorischen Einschränkungen: Brauchen tastaturoptimierte Navigation
  • Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen: Profitieren von klaren Strukturen und verständlicher Sprache
  • Ältere Menschen: Mit altersbedingten Einschränkungen benötigen anpassbare Darstellungen
  • Mobile Nutzer: In schwierigen Nutzungssituationen (z.B. bei Sonnenlicht, Lärm)

Temporäre und situative Einschränkungen

Barrierefreiheit unterstützt auch Menschen mit temporären oder situativen Einschränkungen:

  • Personen mit Sehnenverletzungen
  • Nutzer in lauten Umgebungen
  • Menschen, die einarmig ein Gerät bedienen

Rechtliche Grundlagen für Barrierefreie Websites

Der European Accessibility Act (EAA) markiert einen Wendepunkt in der digitalen Barrierefreiheit mit einer verbindlichen Umsetzungsfrist bis zum 28. Juni 2025.

Deutsche Gesetzgebung

  • Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Setzt den EAA in deutsches Recht um
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): Gilt für öffentliche Stellen
  • BITV 2.0: Konkretisiert die technischen Anforderungen für öffentliche Stellen

Wichtige Standards und Normen

Die technischen Anforderungen basieren auf drei zentralen Standards:

  • Europäische Norm EN 301 549: Harmonisierter europäischer Standard
  • WCAG 2.1 Guidelines: Internationaler Standard mit drei Konformitätsstufen (A, AA, AAA)
  • PDF/UA Standard: Für barrierefreie PDF-Dokumente

Die vier WCAG-Prinzipien

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 definieren vier fundamentale Prinzipien, die allen barrierefreien Websites zugrunde liegen sollten.

1. Wahrnehmbarkeit (Perceivable)

Alle Informationen müssen für die Nutzer wahrnehmbar sein:

Textalternativen für Medieninhalte

  • Präzise Alt-Texte für Bilder (keine generischen Beschreibungen wie “Bild”)
  • Untertitel für Videos und Audioinhalte
  • Transkripte für reine Audioinhalte
  • Audiodeskriptionen für visuelle Inhalte ohne Audioerklärung

Anpassbare Darstellung

  • Responsive Layouts für verschiedene Bildschirmgrößen
  • Textvergrößerung ohne Funktionsverlust bis 200%
  • Kontrastverhältnisse von mindestens 4,5:1 für normalen Text

2. Bedienbarkeit (Operable)

Websites müssen mit verschiedenen Eingabemethoden bedienbar sein:

Tastaturzugänglichkeit

  • Vollständige Navigation ohne Maus möglich
  • Deutlich sichtbarer Fokusindikator
  • Keine Tastaturfallen, die den Fokus blockieren

Zeitliche Anforderungen

  • Ausreichend Zeit für Interaktionen
  • Pausier-, Stopp- oder Verlängerungsmöglichkeiten
  • Vermeidung von blinkenden Inhalten, die Anfälle auslösen könnten

3. Verständlichkeit (Understandable)

Inhalte und Bedienung müssen verständlich sein:

Lesbarkeit

  • Klare Sprachkennzeichnung für mehrsprachige Inhalte
  • Verständliche Formulierungen
  • Erklärungen für Fachbegriffe und Abkürzungen

Vorhersehbarkeit

  • Konsistente Navigation auf allen Seiten
  • Keine unerwarteten Kontextänderungen
  • Klare Fehlermeldungen mit Lösungsvorschlägen

4. Robustheit (Robust)

Inhalte müssen mit verschiedenen Technologien funktionieren:

Kompatibilität

  • Valider HTML-Code ohne Syntax-Fehler
  • Korrekte Verwendung von ARIA-Attributen (nur wenn nötig)
  • Unterstützung verschiedener Browsertechnologien und Hilfsmittel

Technische Implementierung von Barrierefreiheit

Die technische Umsetzung ist entscheidend für eine barrierefreie Website.

Semantisches HTML als Fundament

Semantisches HTML ist die Basis jeder barrierefreien Website:

<header>
    <h1>Seitentitel</h1>
    <nav aria-label="Hauptnavigation">
        <ul>
            <li><a href="/">Startseite</a></li>
            <li><a href="/produkte">Produkte</a></li>
        </ul>
    </nav>
</header>
<main>
    <section aria-labelledby="section-heading">
        <h2 id="section-heading">Über uns</h2>
        <!-- Inhalt -->
    </section>
</main>
<footer>
    <!-- Footer-Inhalt -->
</footer>

ARIA-Attribute richtig einsetzen

ARIA (Accessible Rich Internet Applications) ergänzt HTML, wenn nötig:

<!-- Beispiel für eine Tab-Navigation -->
<div role="tablist">
    <button id="tab1" role="tab" aria-selected="true" aria-controls="panel1">
        Tab 1
    </button>
    <button id="tab2" role="tab" aria-selected="false" aria-controls="panel2">
        Tab 2
    </button>
</div>
<div id="panel1" role="tabpanel" aria-labelledby="tab1">
    Inhalt Tab 1
</div>
<div id="panel2" role="tabpanel" aria-labelledby="tab2" hidden>
    Inhalt Tab 2
</div>

Wichtig: ARIA-Attribute nur verwenden, wenn semantisches HTML nicht ausreicht!

Formulare barrierefrei gestalten

Barrierefreie Formulare sind entscheidend für die Nutzerinteraktion:

<form>
    <div class="form-group">
        <label for="name">Name:</label>
        <input type="text" 
               id="name" 
               name="name" 
               autocomplete="name"
               aria-required="true">
        <p id="name-error" aria-live="polite"></p>
    </div>
    
    <fieldset>
        <legend>Kontaktpräferenz:</legend>
        <div>
            <input type="radio" id="email" name="contact" value="email">
            <label for="email">E-Mail</label>
        </div>
        <div>
            <input type="radio" id="phone" name="contact" value="phone">
            <label for="phone">Telefon</label>
        </div>
    </fieldset>
    
    <button type="submit">Absenden</button>
</form>

Medieninhalte zugänglich machen

Für Bilder, Videos und Audio-Inhalte:

<!-- Informatives Bild -->
<img src="diagramm.jpg" 
     alt="Verteilung der Internetnutzung nach Altersgruppen: 18-25 Jahre (45%), 26-40 Jahre (30%), 41-60 Jahre (20%), 60+ Jahre (5%)"
     width="600" height="400">

<!-- Dekoratives Bild -->
<img src="decoration.jpg" alt="" role="presentation">

<!-- Video mit Untertiteln und Audiodeskription -->
<video controls>
    <source src="video.mp4" type="video/mp4">
    <track kind="captions" src="captions.vtt" srclang="de" label="Deutsch">
    <track kind="descriptions" src="descriptions.vtt" srclang="de">
    <p>Ihr Browser unterstützt keine Videos. <a href="transcript.html">Zum Transkript</a>.</p>
</video>

Content-Erstellung für barrierefreie Websites

Die barrierefreie Gestaltung von Inhalten ist ebenso wichtig wie die technische Implementierung.

Texte barrierefrei gestalten

Überschriftenstruktur

Eine logische Hierarchie der Überschriften ist entscheidend:

<h1>Haupttitel der Seite</h1>
<section>
    <h2>Erster Hauptabschnitt</h2>
    <p>Einleitungstext...</p>
    
    <h3>Unterabschnitt 1.1</h3>
    <p>Details zum ersten Unterabschnitt...</p>
    
    <h3>Unterabschnitt 1.2</h3>
    <p>Weitere Informationen...</p>
</section>

<section>
    <h2>Zweiter Hauptabschnitt</h2>
    <p>Weitere Inhalte...</p>
</section>

Textformatierung und Struktur

  • Kurze, prägnante Absätze (max. 4-5 Zeilen)
  • Aufzählungen für Listen verwenden
  • Links mit aussagekräftigem Text (nicht “hier klicken” oder “mehr”)
  • Starke Kontraste zwischen Text und Hintergrund

Bilder und Grafiken

Alt-Texte sollten den Inhalt und Zweck des Bildes vermitteln:

BildtypAlt-Text-Beispiel
Informativalt="Frau bedient Screenreader an barrierefreier Website"
Funktionalalt="Zum Warenkorb hinzufügen"
Dekorativalt=""
Komplexalt="Verkaufszahlen 2023" aria-describedby="chart-desc" mit Langbeschreibung

Design und User Experience

Farben und Kontraste

  • Text-Kontrast: Mindestens 4,5:1 für normalen Text, 3:1 für große Überschriften
  • Farbe als Information: Nie Informationen nur durch Farbe vermitteln
  • Fokus-Indikator: Deutlich sichtbar mit mindestens 3:1 Kontrast zur Umgebung
  • Klickbereiche: Mindestens 44×44 Pixel für Touch-Geräte
  • Abstände: Ausreichend Abstand zwischen klickbaren Elementen (mind. 8px)
  • Keyboard-Navigation: Logische Tab-Reihenfolge
  • Skip-Links: Ermöglichen das Überspringen von Navigationsbereichen

Testing und Evaluation von Barrierefreiheit

Ein strukturierter Testansatz kombiniert verschiedene Methoden:

Automatisierte Tests + manuelle Prüfung

  1. Automatisierte Basis-Checks mit Tools wie WAVE, Axe oder Lighthouse
  2. Manuelle Prüfung der wichtigsten Funktionen:
    • Keyboard-Navigation durch alle Bereiche
    • Screenreader-Test der Hauptfunktionen
    • Zoom-Test (bis 200% Vergrößerung)
    • Kontrast-Prüfung an kritischen Stellen

Professionelle Audits

Für rechtssichere Umsetzung empfehlenswert:

  • Tests mit verschiedenen Hilfsmitteln (NVDA, JAWS, VoiceOver)
  • Prüfung durch Menschen mit verschiedenen Einschränkungen
  • Detaillierte Dokumentation mit Prioritätensetzung

Best Practices und häufige Fehler bei barrierefreien Internetseiten

Typische Fehlerquellen

Nach Analysen der WebAIM Million sind die häufigsten Probleme:

  1. Fehlende Alt-Texte (ca. 60% aller Websites)
  2. Geringer Kontrast (ca. 85% aller Websites)
  3. Leere Links ohne Beschreibung (ca. 50%)
  4. Fehlende Formular-Labels (ca. 55%)
  5. Fehlende Dokumentensprache (ca. 25%)

Erfolgsbeispiele

  • Klare Struktur trotz komplexer Inhalte
  • Mehrere Zugangswege (Suche, Navigation, Sitemap)
  • Konsistente Gestaltung von Interaktionselementen
  • Fehlertolerante Eingabe in Formularen

Tools und Ressourcen

Empfohlene Test-Tools

Die Problematik von Overlay-Lösungen

Vorsicht bei “Quick-Fix” Accessibility-Tools:

  • Lösen nur etwa 30% der Probleme
  • Können sogar neue Barrieren schaffen
  • Verlangsamen häufig die Ladezeit
  • Ersetzen nicht grundlegende barrierefreie Gestaltung

Fazit und nächste Schritte

Die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit bis zum BFSG-Stichtag 2025 ist eine komplexe, aber lohnende Aufgabe mit messbaren Vorteilen:

Wirtschaftliche Vorteile

  • Größere Reichweite: Erschließung neuer Nutzergruppen
  • Besseres SEO-Ranking: Barrierefreie Websites werden von Suchmaschinen bevorzugt
  • Rechtssicherheit: Vermeidung von Abmahnungen und Klagen
  • Bessere Usability für alle: Von klaren Strukturen profitieren alle Nutzer
  • Image-Gewinn: Demonstration gesellschaftlicher Verantwortung

Schritte zur Umsetzung

  1. Bestandsaufnahme: Analyse der aktuellen Website
  2. Priorisierung: Kritische Barrieren zuerst beheben
  3. Technische Anpassung: HTML-Struktur, ARIA, Formulare
  4. Content-Optimierung: Text, Bilder, Videos
  5. Testphase: Automatisierte und manuelle Tests
  6. Dokumentation: Erstellung einer Barrierefreiheitserklärung
  7. Schulung: Content-Team für laufende Barrierefreiheit qualifizieren

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Illustration einer Person vor Zugänglichkeits-Symbolen und Bildschirm.